Auf dem Rückweg vom Bundesendlauf in Kassel machten Henrik und ich Zwischenstop in Oschersleben, um den vorletzten Lauf des Bördesprint zu fahren. Es war gleichzeitig die letzte Gelegenheit, Henriks Punktekonto für die Wagenrennsport-Meisterschaft aufzubessern. Alle Weichen waren scheinbar gestellt, 357 Euro waren abgezählt, ein diagnostizierter Fehler an der Zündanlage behoben, doch in Wirklichkeit kam es ganz anders.
Das freie Training nahmen wir auf frischen Reifen in Angriff, da wir meinten, bei den herbstlichen Temperaturen wäre das die bessere Wahl. Die Entscheidung war sicher korrekt, aber als ich als erster auf die Strecke ging verstand ich die Welt nicht mehr. Ich konnte fighten wie ich wollte, ich kam kaum unter 2:04 Minuten, dafür konnte ich die Triple absolut voll fahren, was mir bisher immer nur in 50 % der Fälle gelang. Als Henrik dran war, das gleiche Ding. Er kam nur ein oder zweimal unter 2:02, wo er sonst 1:59er Zeiten fährt. Ihm fiel auch auf, dass die Schaltpunkte auf der Strecke viel weiter hinten lagen. Fazit: Motorleistung im Keller, das vermeintliche Problem der Zündanlage steckt woanders. Von den zwölf angetretenen Teams lagen acht vor uns und das gleiche wiederholte sich im Qualifying, Startplatz 8 für Henrik. So weit hinten stand er zuletzt als 16jähriger. Wir machten gute Miene zum bösen Spiel und freuten uns auf die Auseinandersetzung mit Teams, die wir sonst im Rennen nie zu Gesicht bekamen.
Wir blieben bei unserer bewährten Taktik. Henrik fuhr den Start und sollte einen möglichst langen ersten Stint fahren, doch die Realität holte uns schnell ein.
Den Start von Platz 8 brachte Henrik gut hinter sich. Er schloss sogar zum Vordermann auf, musste jedoch ab Mitte Startgerade sehen wie der wieder davonzog. Die ersten sieben waren wie aufgedreht und Henrik konnte von seinem Logenplatz aus einige spektakuläre Szenen beobachten. In der Shell-Schikane verließ ein Fahrer die Straße und in dieser Runde eliminierte sich der erste Teilnehmer durch einen massiven Einschlag in die Streckenbegrenzung selbst und damit hatte sich auch mein Geld abzählen erledigt. Henrik lavierte sich durch das Getümmel und kam als sechster wieder bei Start und Ziel vorbei, nur um auf der Geraden von drei Autos überholt zu werden. Es folgte eine Code-60-Phase, in der Henrik sich auf Platz 9 bewegte.
Der Restart war wieder spektakulär. Die ersten beiden waren gerade unterdurch, als das Licht an der Brückenampel in der Triple von gelb auf grün schaltete. Die Fahrzeuge dahinter beschleunigten voll und stürzten sich auf die Führenden. Da fuhren in Turn 6 fünf Autos auf einer Länge von 10 Metern, davon einer voll auf dem Rasen, und in der McDonalds Schikane, in die anerkanntermaßen nur ein Auto passt, gingen wohl doch zwei durch, aber einer davon links auf der anderen Seite des Schikanenpollers und zwei flogen direkt ins Kiesbett. Henrik lavierte sich ohne anzuecken durch das Getümmel. Kurz darauf flog noch jemand im Hinterfeld ab. Henrik passierte die Ziellinie diesmal als fünfter um gleich darauf in der Triple durch die Code-60 Flagge eingebremst zu werden.
Nach einer guten Runde erfolgte der Restart. Ich sah grün auf dem Monitor und bummelte zur nächsten Lücke im Zaun um das Feld herankommen zu sehen. Ich schaute in Richtung Sachsen-Anhalt Kurve und sah vom Rennleiterturm eine Code-60 Flagge baumeln. Was war passiert? Zwei Brüder kamen sich ins Gehege und der eine flog mit Vehemenz in die Streckenbegrenzung. Der Fahrer dahinter nahm Gas weg und drehte sich. Henrik sah ihm kurz ins Gesicht und übernahm dann seinen Platz. Er kam diesmal als dritter bei Start und Ziel vorbei und hatte viel Ruhe bei Tempo 60 über die Rennstrategie nachzudenken. Ich tat das gleiche und machte bei der nächsten Durchfahrt das Handzeichen für Spielerwechsel, wie es im Volleyball üblich ist, um durch die große Boxentafel nicht andere Teams auf unsere Überlegungen aufmerksam zu machen. Jedoch hatten auch andere von den alten abgebrühten Logan-Cup-Teams den gleichen Gedanken, und so kamen die ersten vier nach genau 25 Minuten, der Öffnung des Wechselfensters, an die Box. Henrik war zu dem Zeitpunkt genau eine freie Runde gefahren, nämlich die Startrunde, wobei er auch da eine gelbe Flagge gesehen hat.
Ich übernahm und fuhr nach exakt 3 Minuten Standzeit los. Dabei überholte ich das bisher zweitplatzierte Team, das ein wenig bummelte. Vor mir war der Erstplatzierte losgefahren, der fuhr jedoch extrem langsam und so passierte ich die grüne Boxenampel an der Pit-out Linie an seiner Stoßstange. Da er weiter bummelte, überholte ich ihn in der Boxenausfahrt sobald zwei Autos nebeneinander passten und lag damit in Führung. Als ich aus der Hotelkurve kam hatte ich 50 m Vorsprung und eine blinkende Brückenampel vor mir. Die Code-60 Phase war immer noch aktiv und damit hatte ich in der Boxenausfahrt praktisch unter gelb überholt. Diese Verwicklung war mir zu dem Zeitpunkt aber nicht klar und ich fuhr, was das Auto und ich hergeben konnten. Inzwischen war die Fahrt auch wieder freigegeben.
Den ersten Platz musste ich bald abgeben. Das NSA-Team mit Ohlsen kam von hinten und ich ließ ihn ohne Gegenwehr passieren. Da deren Auto auch nicht das schnellste ist, konnte ich im Windschatten vorerst dranbleiben, aber er kam jedes Mal besser durch die Hotelkurve und so riss der Kontakt ab. Von hinten kam dann langsam das Oldenburger Auto, das ich in der Boxenausfahrt überholt hatte, näher. Nach meiner Berechnung musste er mich kurz vor Rennende einholen. Andere Teams waren keine Gefahr mehr, da die viel Zeit verloren hatten, als sie eine Runde nach Henrik zum Boxenstop kamen und während ihres Stops Code 60 aufgehoben wurde.
Nun, ich schaffte es als zweiter über die Ziellinie zu fahren und freute mich über die Meisterschaftspunkte, die Henrik vorerst auf den ersten Platz in der Hansa-Wagenrennsportmeisterschaft gebracht hätten. Aber die Drittplatzierten beschwerten sich bei der Rennleitung, dass ich unter Code-60 überholt hatte. Ich musste das einräumen und bekam 30 Strafsekunden aufgebrummt. Das war dann auch das Aus für Henriks Meisterschaft. Trotz allem war das Ergebnis in Anbetracht unserer Probleme mit dem Auto eine kleine Sensation, hatten wir uns doch ursprünglich bestenfalls auf einen Mittelplatz eingestellt.
Bei der Siegerehrung erfuhren wir dann nebenbei, dass wir beim Rennen davor vermutlich vom Veranstalter um unseren ersten Platz betrogen wurden, da an der falschen Mess-Schleife die Pit-in Zeit gemessen wurde. Unsere Handstoppung bestätigte das damals ja, da uns exakt 6 Sekunden fehlten, die Differenz zwischen pit-in und Ziellinie, an der damals gemessen wurde.
24.10.2010 – Bördesprint Oschersleben
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